"Für mich war das Musical sehr ergreifend. Es hat mir einige Aspekte meiner
selbst wieder ins Bewusstsein gehoben. Ich fand, ich war genau zur richtigen
Zeit am richtigen Ort.
Am meisten ergriffen hat mich die Szene, als der Bruder von Jessy mit dem Ballon
symbolisch im Theater über die Mauer flog. Und er sang "Daumen im Wind". Dabei
hat mein ganzer Körper vibriert und es kamen heftige Freudentränen. Dazu kurz
meine Geschichte in Stichpunkten:
Mit 14 Jahren fing ich an, am DDR-System zu zweifeln. Zuerst wollte ich drinnen
was ändern - aber mir wurde schnell klar, dass wir in der DDR eingesperrt waren.
Ich wurde mit 14 Jahren auch Fan von Udo Lindenberg. Mein größter Wunsch war,
mal zu Udo Lindenberg ins Konzert zu gehen und mit ihm vielleicht mal zu reden.
Das war leider so nicht so ganz möglich. Zu dem Konzert 1983 in Ostberlin
bekamen wir in der Provinz keine Karten. Es waren sowieso die meisten Karten
durch die Partei vergeben worden. So machten wir uns auch gar nicht erst auf den
Weg nach Berlin. Zumal wir wussten, dass es dort bestimmt noch mehr Ärger
gegeben hätte, wenn wir mitgegangen wären. Also hörten wir uns seine Lieder im
Radio und auf Musikkassetten an. So ertrug ich besser den real existierenden
Sozialismus. Meine Freunde waren fast alle auch Udo-Fans.
Ich war voller Fernweh und Sehnsucht, ich war ein Rebell - und ich wollte raus.
Ich fasste den festen Entschluss, die DDR zu verlassen. Das gab mir große innere
Kraft und Mut - ich hatte endlich ein großes Ziel. Als die Leute damals mit dem
Ballon flüchteten, war mir klar, dass es nicht einfach wird. Den Film “Mit dem
Ballon nach Westen“ haben wir dann in der ARD gesehen. Ich plante selbst einen
Drachenflieger zu bauen. Da ich Maschinenbaukonstrukteur war, konnte ich mich
schnell in die Thematik einarbeiten und hatte bald meine Luftschraube auf dem
Konstruktionsbrett. Das Ganze zu verwirklichen, wäre aber noch viel schwerer
gewesen. Wir schrieben das Jahr 1989 und es kam im Fernsehen, dass in Ungarn die
Grenze aufgemacht wird. Ich beschloss meine Arbeiten am Drachen sofort
auszusetzen und mich auf eine Flucht nach Westdeutschland über Ungarn
vorzubereiten. Im Juni fuhren wir nach Ungarn und der Zaun war noch da. Ich traf
einen Fluchthelfer aus Dortmund, der mir Geld und 'ne Karte sowie sehr viele
Infos gab. Wir wurden trotzdem in der Nacht von den Grenztruppen in Ungarn
erwischt, die uns aber wieder laufen ließen mit den Worten: „Wenn wir euch
nochmal erwischen, dann liefern wir euch den Behörden der DDR aus.“ Also erstmal
zurück in die DDR. Anfang September 1989 ging dann die Grenze in Ungarn ganz
auf. Aber zweimal in einem Jahr durfte man nicht nach Ungarn nach den Gesetzen
der DDR. So legte ich das als eine Hochzeitsreise nach Bulgarien aus, die mir
zuerst aus Gründen der nationalen Sicherheit gestrichen wurde. Nach meiner
Beschwerde bekam ich die Reise dann und die Fahrt war frei nach Westdeutschland.
Ich zögerte keine Sekunde und fuhr los.
Am 13. Oktober 1989 erreichte ich Bayern.
Es war eine riesengroße Befreiung.
Jedes Mal wenn ich daran erinnert werde, kommen mir die Tränen vor Freude.
Das war mein zweitglücklichster Moment in meinem Leben.
Und diese Gefühle kamen dann auch im Musical "Hinterm Horizont" wieder voll
hoch."
Schornsteinsprengung Aichacher
Milchwerk am 18.12.2010 um 14:00Uhr
Meine Visionen von 2010 bis zur
Zeitenwende 2012 bis 2024